Wie kommt man als Tierärztin dazu, sich ausgerechnet auf Verhaltenstherapie und insbesondere auf Katzen zu spezialisieren?

Fangen wir einmal ganz am Anfang an…

Ich bin quasi mit Tieren aufgewachsen und Hunde und Pferde haben mich durch meine gesamte Kindheit begleitet. Mit Katzen hatte ich während meiner Jugend eigentlich nur in Form der typischen „Dorfkatzen“ zu tun, deren Job es war, im Pferdestall die Mäusepopulation gering zu halten.

Den Entschluss Tiermedizin zu studieren habe ich in erster Linie deshalb gefasst, weil mich die medizinischen Zusammenhänge sehr interessiert haben und ich unbedingt einen Job wollte, in dem ich jeden Tag genau weiß, wofür ich aufstehe und nicht nur zum Geld verdienen auf die Arbeit gehe. Mein Alternativplan war übrigens Psychologie, das kam mir kurz vorm Abitur dann aber doch recht trocken vor…

 

Start ins bedürfnisorientierte Training

Zwischen Abi und Studium arbeitete ich einige Monate im Bundesfreiwilligendienst im Tierschutz. Genauer gesagt, zeitweise in einem Exotenasyl für Raubkatzen, die aus schlechter Haltung gerettet wurden und danach in einem Tierheim.

Damals habe ich mir über das tatsächliche Training im klassischen Sinne noch keine großen Gedanken gemacht – obwohl sowohl meine damalige Hündin als auch mein Pferd neben den normalen Grundkommandos alle möglichen Tricks konnten, die wir aus Spaß miteinander eingeübt haben.

Aber gerade in der Arbeit mit den Tierschutztieren, die teilweise wirklich schon sehr Schlimmes erlebt haben, ist mir doch aufgefallen, dass ein auf positiver Verstärkung und auf ihren speziellen Bedürfnissen beruhender Umgang mit den Tieren deutlich mehr gebracht hat, als das Schimpfen mancher Kolleginnen.

Während des Studiums hatte ich das große Glück, immer wieder zusätzliche praktische Erfahrungen sammeln zu dürfen. Sei es als studentische Hilfskraft an der universitären Kleintierklinik im Notdienst oder in verschiedenen Praktika, unter anderem in einer recht bekannten, sehr großen katzenfreundlichen Klinik. Dort durfte ich zum ersten Mal sehen, wie viele Möglichkeiten es gibt, auch mit den sonst oft eher unkooperativen Katzen zu arbeiten. Und zwar ganz ohne Nackengriff, Quetschkäfig und all den anderen Zwangsmaßnahmen, die sonst leider noch in vielen Praxen und Kliniken standartmäßig eingesetzt wurden.

Einige weitere riesengroße Aha-Erlebnisse hatte ich durch eine Kommilitonin, die inzwischen eine gute Freundin und Kollegin geworden ist. Sie ging bereits damals mit ihren Katzen an der Leine spazieren, hatte ein selbstgebautes Laufrad und einen wunderschönen Catwalk und sogar ein gesichertes Katzengehege und was damals fast am ungewöhnlichsten war: sie trainierte  ganz selbstverständlich mit ihren Katzen, so dass die ihr freiwillig die Pfote zum Blut abnehmen entgegenstreckten.

Verhalten & Internistik – it’s a match

Nach dem Studium begann ich meine Doktorarbeit im Bereich der Inneren Medizin und forschte dadurch ca 3 Jahre lang intensiv an chronischen Magen-Darm-Erkrankungen bei Katzen.

Und dabei fiel immer wieder auf… einige Patienten wurden einfach nicht gesund, egal wie gut sie mit dem richtigen Futter und Medikamenten behandelt wurden. Und anderen Patienten ging es plötzlich deutlich besser, obwohl aus rein medizinischer Sicht noch gar nichts passiert ist. Bei genauerem Nachforschen fiel dann auf: bei den meisten dieser Katzen lag entweder ein dauerhafter Stressfaktor vor oder – bei den plötzlich besser werdenden- hatten die Haltenden gleichzeitig Dinge verändert, durch die die Katze sich mehr beschäftigen konnte oder es sind bestimmte Stressfaktoren weggefallen.

Für mich war damit relativ schnell klar, was auch wissenschaftlich in vielen Studien belegt ist– zur kompletten medizinischen Behandlung gehört auch die Psyche. Denn wer dauerhaft Stress hat oder sich emotional nicht gut fühlt, kann gar nicht wirklich gesund werden.

Einige unserer Pflegekätzchen

 

Pflegekätzchen & die Geburt von „kitcats“

Parallel habe ich während meiner Doktorarbeit wieder verstärkt im Tierschutz gearbeitet – jetzt allerdings mit ehemaligen Straßenkatzen, die ich beim Aufwachsen und der Suche nach ihrem für-immer-Zuhause unterstützen durfte. Zwei dieser Katzen waren extrem ängstlich und sollten eigentlich wieder „ausgewildert“ werden, wenn sie sich weiter so vor Menschen fürchten. Und mit den Beiden begann mein Weg ins „richtige“ Katzentraining mit Clickern & Co.

Kleiner Spoiler: beide Katzen leben inzwischen ein wunderschönes Wohnungskatzenleben und begrüßen ihre Menschen jeden Tag, indem sie ihnen schnurrend um die Beine streichen 😊

 

Fae und Bronn, die beiden ehemaligen Angstkätzchen

Damit war der Grundstein gelegt und ich arbeitete mich immer tiefer in die Bereiche artgerechte Katzenhaltung, Tiertraining und Tierverhaltenstherapie im Allgemeinen ein.

Von der Vermittlungshilfe zur Datenbank

Um möglichst gute Zuhause für meine Pflegekinder zu finden, habe ich die Instagram-Seite „kitcats LE“ als Vermittlungshilfe ins Leben gerufen. Das funktionierte auch sehr gut und ich konnte in einem Jahr zusammen mit meinem Partner erfolgreich 32 wunderbare Katzen verschiedensten Alters in gute Zuhause vermitteln und stehe mit den meisten davon auch immer noch regelmäßig in Kontakt.

Damit die InteressentInnen sich vorab schonmal zu den Grundbedürfnissen von Katzen belesen konnten, habe ich auf der Seite mit der Zeit mehr und mehr Info-Material zur Verfügung gestellt. Denn im Netz findet man zwar einige Informationen zu Katzenhaltung, aber ohne eigenes Hintergrundwissen ist es quasi unmöglich, zwischen evidenzbasierten Fakten und reinen Behauptungen zu unterscheiden. So war jedenfalls mein Eindruck und ich brachte immerhin 6 Jahre Tiermedizinstudium als Vorwissen mit… Ich wollte also eine Seite schaffen, an dem wirklich faktenbasierte, korrekte Informationen über Katzenhaltung leicht zu finden sind. Und so wuchs die Seite mit der Zeit immer mehr und wurde eher zu einer Aufklärungs- und Informationsseite als zur reinen Vermittlungsseite.

Die ersten Patienten

Mit der Zeit erhielt ich auch mehr und mehr Anfragen zu den verschiedensten Problemen rund ums Leben mit Katze und ich gründete nebenberuflich meine eigene Beratungs-Praxis, um diese Fälle auch annehmen und behandeln zu können.

Währenddessen wuchs die Instagram-Seite fleißig weiter und wurde zum heutigen „kitcats- Katzen verstehen“, die Planung dieser Website hier begann und ich wechselte in die Vollselbstständigkeit…

And here we are now.

Inzwischen sind 2 eigene Katzen bei meinem Partner und mir eingezogen und wir sind von Leipzig nach München umgezogen und deshalb keine Pflegestelle mehr.

Whiskey und Tips, meine eigenen beiden Katzen am Tag ihres Einzugs

Dafür behandle ich nun fast täglich Patienten mit den verschiedensten psychischen oder gastroenterologischen Problemen, gebe Seminare, Vorträge und Weiterbildungen zu den verschiedensten Katzenthemen – und möchte durch die Möglichkeiten, die wir durch Social Media und das Internet im Allgemeinen haben, sovielen Menschen wie möglich zeigen, wie wunderbar und begeisternd eine bedürfnisgerechte Katzenhaltung sein kann und wie faszinierend Katzen eigentlich sind.

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